Kritische Kriminologie

Als Kritische Kriminologie bzw. im angelsächsischen Raum Radikale Kriminologie (in Großbritannien New Criminology) wird eine Richtung der Kriminologie bezeichnet, die sich ab den 1960er-Jahren in Abgrenzung zur traditionellen (ätiologischen) Kriminologie formierte, die von ihr als „Legitimationswissenschaft“[1] bezeichnet wurde. Bei allen im Einzelnen bestehenden Unterschieden sind für die kritische Kriminologie sämtlicher Richtungen eine starke Orientierung am Etikettierungsansatz sowie ein hauptsächliches Interesse an der Erforschung der Instanzen der sozialen Kontrolle („Kriminalisierungsinstanzen“) kennzeichnend. Täterorientierte Kriminalitätstheorien spielen für die kritische Kriminologie hingegen überwiegend keine Rolle. Von ihren Vertretern wird der Übergang von der traditionellen zur kritischen Kriminologie teilweise als ein Paradigmenwechsel im Sinne Thomas S. Kuhns betrachtet.[2]

Die kritische Kriminologie ist in stärkerem Maße als die traditionelle Kriminologie an den Sozialwissenschaften (statt an den Rechtswissenschaften und der Psychiatrie) ausgerichtet und ist eher herrschaftskritisch als herrschaftsapologetisch. Seit den Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts mehren sich auch Stimmen der (Selbst-)Kritik innerhalb der kritischen Kriminologie. Diese widmen sich hauptsächlich der Frage, wie viel Raum, wenn überhaupt, neben dem Etikettierungsansatz den anderen – gegebenenfalls auch ätiologischen bzw. „traditionellen“ – Erklärungsmodellen zuzugestehen ist.

  1. Vgl. Dorothee und Helge Peters, Legitimationswissenschaft. Zur sozialwissenschaftlichen Kritik an der Kriminologie und an einen Versuch, kriminologische Theorien zu überwinden, in: Arbeitskreis Junger Kriminologen, Kritische Kriminologie. Positionen, Kontroversen und Perspektiven, München 1974, S. 113–131.
  2. vgl. Siegfried Lamnek und Susanne Vogl, Neue Theorien abweichenden Verhaltens II. „Moderne Ansätze“, vierte Auflage, Paderborn 2017, S. 28.

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